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Chancengleichheit fördern

17.10.2020Artikel
Sarah Schmidtke
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Interview - Sarah Schmidtke ist Mitglied im Aufsichtsrat der Bürgschaftsbank Hessen. Der Geschäftsbericht 2019 widmet sich ‚Unternehmerinnen in Hessens Wirtschaft‘.

„Chancengleichheit steht für mich im Vordergrund. Damit Frauen, die oft Job und Familie managen, keine Nachteile im Beruf entstehen, brauchen wir Maßnahmen, um gleiche Chancenherzustellen“, findet Sarah Schmidtke, seit April 2019 Geschäftsführerin beim Bankenverband Hessen und Mitglied im Aufsichtsrat der BB-H und merkt an: „Gerade Frauen sind häufig mit dem sogenannten ‚Mid-Career-Konflikt‘ konfrontiert, das heißt, wichtige Entscheidungen zur Karriere- und Familienplanung fallen zeitlich zusammen. Um diesen Konflikt aufzufangen, sei es wichtig, dass Fördermaßnahmen nicht nur auf arbeitende Mütter, sondern auf arbeitende Väter gleichermaßen abzielen – also die Familie in den Vordergrund stellen. Das ist bei vielen Unternehmen für die 44-Jährige bereits erkennbar: „Es gibt immer mehr Programme und Modelle, die sich mit Familien- und Frauenförderung beschäftigen.“ Im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist eine individuell strukturierte, lebensphasenbewusste Personalpolitik essenziell, da Arbeitnehmer vermehrt den Fokus auf eine Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben legen und dies bei ihrer Stellenwahl bedenken. Personalpolitik mit konkreten Fördermaßnahmen und Zielvorgaben hat Signalwirkung – innerhalb des Unter-nehmens, aber auch außerhalb.

Familie ist Eltern- und nicht nur Frauenaufgabe. Es geht um Gleichberechtigung

Teilzeitarbeit oder mobiles Arbeiten an einem oder mehreren Tagen in der Woche ist für viele Mütter und Väter bereits eine große Entlastung. „Eine andere gute Idee ist Job-Sharing“, fügt Frau Schmidtke an. Dabei teilen sich meist zwei Personen eine volle Arbeitsstelle. Einen ähnlichen Namen trägt das ‚Job-Shadowing‘, hinter dem sich folgende Idee verbirgt: „Beim Job-Shadowing begleitet ein Mitarbeiter für eine bestimmte Zeit einen anderen in dessen Berufsalltag. Durch das Beobachten der Tätigkeit des Kollegen gewinnt die Person Einblicke in dessen Alltag und Tätigkeitsbereiche.“ Dadurch können beispielsweise Weiterentwicklungsoptionen in eine höhere Stelle ausgelotet oder andere Bereiche kennengelernt werden, in denen Frauen bislang seltener tätig sind. Ebenso sinnvoll sind ‚Keep-in-Touch-Programme‘, bei denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Elternzeit kleinere Projekte übernehmen. „Durch diese Programme ist man nicht vom Unternehmensprozess abgeschnitten, der spätere Wiedereinstieg fällt leichter“, merkt die Geschäftsführerin an. Daran anknüpfend findet sie Rückkehrgarantien sinnvoll, die Eltern ihren Arbeitsplatz für einen bestimmten Zeitraum nach einer Elternzeiten sichern.

Es ist zu erkennen, dass auch immer mehr Väter ihren Anspruch auf Elternzeit geltend machen, wodurch sie wiederum Vorbild für andere werdende Väter würden. Ein interessanter unternehmensübergreifender Ansatzpunkt sind Frauennetzwerke und Projekte, die sich mit Frauen- und Familienförderung beschäftigten. „Mir sind allein schon drei tolle Projekte bekannt: Beispielsweise FIDAR, eine Initiative für mehr Frauen in Aufsichtsräten und Führungspositionen. She VIP, eine Commerzbank-Initiative, bietet weiblichen Führungs-kräften aus unterschiedlichen Teilbereichen unserer Gesellschaft eine Kommunikationsplattform. Oder die Finanzheldinnen, die sich um Finanzfragen kümmern“, erläutert Frau Schmidtke. Diese unterschiedlichen Initiativen setzen sich für eine stärkere Präsenz von Frauen in Führungspositionen ein, organisieren einen gegenseitigen Ideenaustausch, stellen nützliche Informationen zum Thema Finanzen bereit, diskutieren innovative Ansätze und bieten Fortbildungen zur Entwicklung von Führungsqualitäten und Netzwerken auf Veranstaltungen an. Hinsichtlich der demographischen Entwicklung und der gesellschaftlichen Überalterung ist es unbedingt notwendig, Frauen stärker in die Wirtschaft einzubinden. Nicht nur für das Rentensystem sondern auch als Kundengruppe sind in Voll- oder Teilzeit erwerbstätige Frauen relevant. Schmidtke ergänzt: „Frauenförderung ist aus ökonomischer Sicht ein wichtiger Aspekt.“ Immerhin leben in Deutschland aktuell über 42 Millionen Frauen, in Hessen sind es 51 Prozent der Einwohner. Je höher die Beschäftigtenzahlen sind, desto höher sei auch die Kaufkraft.